Der Nationalrat hat am 7. Mai 2025 eine Motion angenommen, die den Online-Verkauf von gesundheitsgefährdendem Kinderspielzeug in der Schweiz einschränken will. Ziel ist es, Kinder besser vor gefährlichen Produkten – insbesondere aus dem Internet und zu sehr günstigen Preisen – zu schützen. Der Bundesrat soll nun Gesetzesänderungen vorlegen, um entsprechende Massnahmen zu ermöglichen. Die Motion wurde mit 108 zu 77 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen und geht nun an den Ständerat.
Initiant der Motion war der Tessiner Nationalrat Piero Marchesi. Er argumentierte, dass viele riskante Spielzeuge online angeboten würden und Eltern Unterstützung bräuchten, um solche Produkte nicht zu kaufen. Es gehe darum, die Gesundheit der Kinder zu schützen.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider verweist auf Eigenverantwortung
Bundesrätin und Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider sprach sich im Namen des Bundesrates gegen die Motion aus. Sie wies darauf hin, dass die Schweiz bereits umfassende Gesetze zur Sicherheit von Spielzeugen habe. Diese regeln, dass nur sicheres Spielzeug auf den Markt gebracht werden darf. Der Import von Spielzeug für den privaten Gebrauch – auch über das Internet – erfolge jedoch grundsätzlich in der Eigenverantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten. Baume-Schneider betonte, dass die bestehenden Vorschriften bereits einen hohen Schutzstandard böten und die Eigenverantwortung der Eltern beim Onlinekauf zentral sei.
Anders in der EU: Seit dem 16. Juli 2021 verpflichtet die EU-Marktüberwachungsverordnung (MÜVO) alle Onlineplattformen, ausschliesslich konforme Spielwaren anzubieten, die der Richtlinie 2009/48/EG entsprechen. Artikel 4 der Verordnung verlangt, dass jedes in der EU verkaufte Spielzeug einen EU-inländischen Wirtschaftsakteur benennt – sei es Hersteller, Importeur oder Bevollmächtigter. Dieser haftet für die Einhaltung der Sicherheitsstandards, einschliesslich chemischer Grenzwerte und mechanischer Risikoprüfungen.
Für Plattformen wie Temu bedeutet dies: Wer Spielzeug in der EU anbietet, muss vollständige Konformitätserklärungen, technische Dokumentationen und CE-Kennzeichnungen vorlegen. Zollbehörden überprüfen dies systematisch an den EU-Aussengrenzen, unterstützt durch digitale Produktpässe mit QR-Codes. Verstösse führen zur sofortigen Beschlagnahmung der Ware und hohen Strafen.
Schweiz: Bundesrat legitimiert Giftimporte per Gesetz
Im krassen Gegensatz dazu erlaubt die Schweizer Gesetzgebung privaten Direktimporten nicht konformer Spielwaren aus Drittstaaten – legal und kontrollfrei. Die Schweizer Spielzeugverordnung (VSS) verpflichtet zwar inländische Händler zu strengen Sicherheitsprüfungen, greift aber nicht bei Bestellungen aus China. Der SVS fordert seit über sechs Jahren vom Bundesrat, die klaffende Gesetzeslücke zu schliessen. Diverse Motionen scheiterten schon am Willen des Bundesrates.
Sandro Küng, Mediensprecher des SVS, kritisiert: «Während Temu in der EU jedes Spielzeug zurückweisen muss, das PFAS, endokrine Disruptoren oder überhöhte Schwermetallwerte enthält, liefert dieselbe Plattform diese Produkte völlig legal an Schweizer Kinder. Der Bundesrat verwandelt die Schweiz damit in ein Sicherheits-Schlupfloch für Billigimporte.»
Kantonale Marktüberwachung: Nur für Schweizer Händler verpflichtend
Schweizer Spielzeughändler unterliegen einer systematischen Überwachung durch kantonale Behörden. Jedes Produkt muss:
- Die chemischen Grenzwerte der VSS einhalten (z.B. < 90 mg/kg Blei)
- Mechanische Sicherheitstests bestehen
- Vollständige Dokumentation in Landessprachen vorweisen
Dagegen bleiben private Onlinebestellungen aus dem Ausland von allen Kontrollen ausgenommen. Der SVS wies 2023 nach, dass 83 % der über Temu und Shein bezogenen Spielwaren gesundheitsgefährdende Substanzen enthielten – darunter sechs Produkte mit akut toxikologischer Risikostufe.
Forderung des SVS: Schweiz muss EU-MÜVO umsetzen
Der SVS appelliert an den Ständerat, die Motion Marchesi zu unterstützen und folgende Massnahmen umzusetzen:
- Importstopp für nicht konforme Spielwaren nach Vorbild der EU-MÜVO
- Haftung für Onlineplattformen, die giftige Produkte an Schweizer Adressen liefern
- Zollkontrollen an der Grenze mit stichprobenartigen Laboranalysen
«Es ist zynisch, von Eltern zu verlangen, die chemische Zusammensetzung von Plastikpuppen zu prüfen», so Küng. «Kinder verdienen denselben Schutz wie in der EU – unabhängig davon, ob das Spielzeug im Laden oder per App bestellt wird.»
Siehe auch unser Temu-Fact Sheet