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Fact Sheet: Asiatische Online-Marktplätze

11.04.2025


Es ist ein Fakt: Chinesische Online-Marktplätze wie Temu und Shein dürfen Spielwaren in die Schweiz liefern, die im Schweizer Handeln nicht zugelassen wären, weil sie zu gefährlich sind. Weshalb? Weil der Bundesrat keinen Handlungsbedarf sieht und auf die Eigenverantwortung der Konsument:innen verweist. Dass viele Spielwaren gesundheitsgefährdend für unsere Kinder sind, hat der Spielwaren Verband Schweiz (SVS) bereits 2019 aufgedeckt. Bei Kindern von Eigenverantwortung der Konsumenten zu sprechen, ist zynisch. Kinder können die Gefahren von Spielzeug weder erkennen noch einschätzen und sind dazu noch besonders sensibel auf Schadstoffe. Der SVS fordert einen Importstopp für gefährliche, nicht konforme Spielwaren.

Asiatische eCommerce-Giganten wie Temu und Shein sind seit Monaten ganz oben im Ranking der beliebtesten Apps in der Schweiz. Gamifiziertes (spielerisches) Einkaufen auf Online-Marktplätzen mit blinkenden Glücksrädern und falschen Rabatten von 90 % ist beliebt: Bis zu 500'000 Pakete kommen aus Asien in die Schweiz pro Tag[1]. Die Grundproblematik ist seit 2019 bekannt. Damals bestellte der SVS bei Aliexpress und Wish in China Spielwaren und liess sie in einem Prüflabor testen. Ergebnis: Sieben von zehn der aus China gelieferten Produkte enthielten Schadstoffe, sechs davon überschritten die gesetzlichen Grenzwerte massiv[2].

Der SVS fordert seither gleich lange Spiesse und mehr Sicherheit für Konsumenten in der Schweiz. Der Bundesrat teilt diese Bedenken nicht und verweist auf die Eigenverantwortung[3]. Nur: Im Falle von Spielwaren sind die Konsumierenden vor allem Kinder, welche die Gefahren nicht kennen – und Kleinkinder nehmen vieles sogar in den Mund. Der SVS hat im November 2023 erneut Spielwaren aus China testen lassen: 15 von 18 auf Temu und Shein bestellten Spielwaren wären in der Schweiz nicht verkehrsfähig, für sechs davon hätte der Vollzug umgehend einen Rückruf angeordnet[4]. Im Oktober 2024 hat der europäische Spielzeugverband TIE mehr als 100 Spielzeuge auf zehn aussereuropäischen Plattformen bestellt und getestet. Das Ergebnis: 80 % der Spielzeuge erfüllen die gemäss europäischen Vorschriften geforderten Sicherheitsanforderungen nicht und haben damit den Test nicht bestanden[5]. Bei asiatischen Online-Plattformen ist schlechte Qualität jedoch nicht nur bei Spielwaren zu finden, sondern bei allen möglichen Konsumgütern wie Handyhüllen, Kugelschreiber, Handtaschen, T-Shirts oder Milchschäumer.

Gefährliches Geschäftsmodell

Die E-Commerce-Giganten verändern mit aggressiven Marketingstrategien und riesigen Werbebudgets den Onlinehandel. Das Geschäftsmodell fokussiert auf Daten, Gamifizierung und Beeinflussung externer Algorithmen. Auf dem Online-Marktplatz gibt es Waren zu Spottpreisen, lieferkostenfrei und mit scheinbar saftigen Rabatten. Temu erklärt seinen Erfolg mit Produkten direkt ab Fabrik ohne Zwischenhändler. Die bestellte Ware kommt per Luftfracht in die Schweiz. Dies hat grosse negative Auswirkungen auf die Umwelt und den Konsumentenschutz in der Schweiz: Rechtlich gesehen wird die Bestellung behandelt wie ein Auslandeinkauf, also wie ein Mitbringsel aus den Ferien und muss weder der Schweizer Spielzeugverordnung noch dem Produktsicherheitsgesetz entsprechen.

Ungleichbehandlung gefährdet Schweizer Detailhandel

Keine vorgezogene Recyclinggebühr, keine Produktehaftungund tiefere Portokosten. Ist das fair gegenüber dem Schweizer Detailhandel? Nein. Immerhin hat der Bund eine langjährige Steuerlücke geschlossen: Seit Januar 2025 müssen ausländische Plattformen wie Temu und Shein bei jährlichen Lieferungen über 100'000 CHF in die Schweiz Mehrwertsteuer (8.1%) abführen[6]. Bisher wurden Pakete unter 62 CHF nicht besteuert. Temu hatte diese Regelung systematisch durch Aufteilung von Bestellungen umgangen. Wie effektiv die Umsetzung der Regelung sein kann, muss sich zeigen. Denn weiterhin gilt, dass die Menge an Paketen, die täglich quer durch die Welt geflogen werden, unvorstellbare Dimensionen angenommen haben. Temu und Shein fliegen täglich bis zu 5000 Tonnen Ware aus[7]. Durch diese Versandpraxis entsteht ein bis zu 50-mal höherer CO2-Ausstoss als beim konventionellen Versand via Container. Und natürlich machen es diese Mengen jeder Zollabfertigung der Welt unmöglich, mehr als minimalste Stichproben durchzuführen, was die unlauteren Methoden bezüglich Deklarierung oder Aufteilung von Sendungen in der Masse lohnenswert machen.

TikTok-Shop, Handlungsaufforderung an den Bundesrat und Taten der EU-Kommission

Die Lancierung des TikTok-Shops in Europa, der 1 Mia. aktiven Nutzern (CH: 3,14 Mio.) ermöglicht, Produkte direkt in der App zu kaufen, schreitet zügig voran: Seit 31. März 2025 ist der Shop in Deutschland, Frankreich und Italien lanciert, und auch die Schweiz mit wird bald folgen.[8] Dafür spricht nicht zuletzt die Gründung der TikTok Switzerland GmbH in Zürich im Januar 2025, wobei sich der Techgigant bisher nur vage zu seinen Zielen äussert[9]. Grund genug, nach zahlreichen parlamentarischen Vorstössen den Druck weiter zu erhöhen. Auf Initiative des SVS forderten zahlreiche Wirtschafts- und Konsumentenverbände den Gesamtbundesrat in einem Brief (datiert vom 15. November 2024) auf, rasch Massnahmen zu ergreifen, insbesondere bezüglich Produktsicherheitsstandards und Konsumentensicherheit.

Antwort des Bundesrats und Druck der EU-Kommission

Laut dem Antwortschreiben von Bundesrat Guy Parmelin vom 2. Dezember 2024[10] hat man bereits erste Massnahmen ergriffen, insbesondere den direkten Dialog mit Temu, eine Schwerpunkt-Kontrollaktion «Onlinehandel» am Zoll, bei der knapp 700 Sendungen sichergestellt wurden sowie eine diplomatische Initiative bei der chinesischen Regierung. Der Bundesrat betont in seinem Schreiben, dass er die Ansicht teilt, "dass Schweizer Anbieter und Anbieter aus dem Ausland für die Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Schweizer Markt gleich lange Spiesse haben müssen". Dennoch lehnt er eine direkte Umsetzung der Motion zur Rechtsvertretungspflicht ab, ist aber bereit, diese Pflicht "vertieft zu prüfen".  Auch die EU-Kommission drängt im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste Temu zur Einhaltung des EU-Verbraucherschutzrechts. Es geht um irreführende Informationen, Ausübung von Druck, gefälschte Bewertungen und falsche Rabatte[2]. Temu reagierte bisher mit einer Kooperationszusage, konkrete Massnahmen wie die Abschaffung des Glücksrad-Systems oder Korrekturen bei Preisdarstellungen sind bis dato jedoch nicht erfolgt

[1] https://www.blick.ch/wirtschaft/temu-shein-co-ueberfluten-die-schweiz-mit-billigware-taeglich-landen-bis-zu-einer-halben-million-paeckli-aus-asien-in-zuerich-id20076890.html#

[2] https://www.spielwarenverband.ch/newsroom/medienmitteilungen/medienmitteilung/alarmierend-viele-spielwaren-von-aliexpress-und-wish-enthalten-giftstoffe

[3] https://www.20min.ch/story/temu-und-shein-haende-weg-von-diesem-spielzeug-967722651414

[4] https://www.spielwarenverband.ch/newsroom/medienmitteilungen/medienmitteilung/spielwaren-von-temu-und-shein-koennen-gefaehrlich-sein

[5] https://www.spielwarenverband.ch/newsroom/news/nachricht/online-testkauf-ausserhalb-europas-80-von-100-spielwaren-mangelhaft

[6] https://www.blick.ch/wirtschaft/neue-regelung-fuer-onlineshops-jetzt-muessen-auch-temu-und-co-mehrwertsteuer-bezahlen-id20459676.html

[7] https://www.capital.de/wirtschaft-politik/immer-mehr-luftfrachtkapazitaeten--temu-und-shein-brauchen-platz-34871906.html

[8] https://www.derbund.ch/tiktok-shop-direktkaeufe-auch-in-europa-moeglich-265866749490

[9] https://www.tagesanzeiger.ch/tiktok-expandiert-in-die-schweiz-und-gruendet-firma-in-zuerich-189297367753

[10] Antwortschreiben des Bundesrats

[11] https://germany.representation.ec.europa.eu/news/irrefuhrung-von-verbrauchern-eu-kommission-drangt-temu-zur-einhaltung-des-eu-verbraucherschutzrechts-2024-11-08_de

Themen

 

Schweizer Onlineshops

 

Ausländische Onlineshops

Produkte-
sicherheit

 

Für die Produkte haftet der Schweizer Onlineshop

 

Empfehlung des Bundes: «Wenn dir Sicherheit wichtig ist, dann kaufe Kinderspielzeug in Schweizer Onlineshops.»

 

Wer ein Spielzeug im Ausland einkauft, ist selbst für dessen Sicherheit verantwortlich.

 

Verschiedene Tests zeigen auf, dass viele Produkte von asiatischen Billig-Plattformen gesundheitsgefährdend sind. Sie enthalten giftige Schwermetalle, Lösungsmittel und Weichmacher. Potenziell lebensgefährlich sind verschluckbare Kleinteile.

 

Mehrwertsteuer

Pflicht für alle Waren

Keine Pflicht, solange der Inhalt des einzelnen Pakets den Freibetrag nicht übersteigt. Temu umgeht die Mehrwertsteuer, indem falsche Wertangaben gemacht oder Bestellungen in mehrere Pakete aufgeteilt werden, die einzeln alle in der Zollfreigrenze liegen.

 

Vorgezogene
Recyclinggebühr

Pflicht für viele Waren

Keine Pflicht. Die Kosten für das Recycling in der Schweiz trägt die Schweizer Bevölkerung.

 

Portokosten

 

Je nach Grösse des Pakets gemäss offiziellen Tarifen der Anbieter.

Asiatische Onlineshops liefern Pakete zu stark reduzierten Tarifen in die Schweiz, da China von Vergünstigungen des Weltpostvereins profitiert.

 

Nachhaltigkeit

 

Kürzere Transportwege, höhere Qualität, bei Import aus Fernost über Seefracht (50 Mal weniger CO2).

Von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein:

-      Kurzlebigkeit (geringe Qualität) fördert Wegwerfmentalität

-      Teilweise enthaltene Giftstoffe und Schwermetalle belasten die Umwelt in der Schweiz

-      Fehlende Recyclinggebühr

-      Bei Temu und Shein gelangen alle Pakete per Luftfracht in die Schweiz, was eine rund fünfzig Mal höhere CO2-Bilanz als per Schiff bedeutet.

 

Fälschungen

 

Strafbar für Verkäufer der Ware in der Schweiz.

Bei Temu können Fälschungen von Markenartikeln bestellt werden. Kommen solche Verstösse nachweisbar ans Licht (was aufgrund fehlender Kontrollen selten vorkommt), zahlt nicht Temu eine Busse, sondern unter Umständen der Konsument bzw. die Konsumentin.

 

Datenschutz

 

Klare Datenschutzregelungen vorhanden.

Asiatische Shopping-Apps greifen auf alle verfügbaren Daten auf dem Smartphone der Konsumenten zu. Ob diese Daten für unlautere Zwecke verwendet werden, wie zum Beispiel für gezielte Werbung oder Profilbildung, ist unklar. Sogar eine Verwendung für staatliche Überwachung ist möglich, da Unternehmen in China gegebenenfalls dazu verpflichtet sind, Daten an die Regierung weiterzugeben.

 

Politische Vorstösse

Medienberichte (Auswahl)

[11] https://www.zeit.de/digital/2024-05/online-haendler-temu-eu-kommission-vorkerhungen

[12] https://backlinko.com/temu-stats

[13] https://simicart.com/blog/temu-net-worth/

[14] https://www.20min.ch/story/temu-graebt-dem-handel-milliarden-ab-103166959

[15] https://analyzify.com/statsup/shein

[16] https://www.asiafinancial.com/sheins-annual-profit-plunges-by-nearly-40-ft-says

[17] https://backlinko.com/shein-stats

[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Shein

[19] https://www.macrotrends.net/stocks/charts/BABA/alibaba/revenue

[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Wish_(Website)

[21] https://www.blick.ch/wirtschaft/mehr-paeckli-aus-china-chinesische-onlineshops-wie-shein-und-temu-machen-sich-in-der-schweiz-breit-id19038436.html

[22] https://www.businessofapps.com/data/wish-statistics/


Kontakt

Spielwaren Verband Schweiz
Herr Sandro Küng
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