Spielwaren von Temu und Shein können gefährlich sein
06.11.2023
Billigst-Spielwaren aus China können die Gesundheit von Kindern gefährden. Das zeigen Tests, die der Spielwaren Verband Schweiz (SVS) für 18 Spielwaren aus den Shopping-Apps Temu und Shein in Auftrag gegeben hat. 15 dieser Spielsachen sind laut Testlabor SQTS hierzulande nicht verkehrsfähig, für sechs davon hätte der Vollzug umgehend einen Rückruf angeordnet.
Spielwaren im Schweizer Handel gehören zu den am stärksten regulierten Konsumgütern. Sie müssen sicher sein und zum Beispiel den hohen Anforderungen der Schweizer Spielzeugverordnung entsprechen. Ausgenommen sind Spielwaren, die Konsumenten direkt über den Onlinehandel in China bestellen. Diese so genannten privaten Direktimporte von nicht-konformen Waren werden vom kantonalen Vollzug nicht kontrolliert, denn sie sind in der Schweiz – anders als in der EU – legal.
Bund unternimmt nichts dagegen
2019 hatte der Spielwaren Verband Schweiz (SVS) zehn Spielwaren von den Online-Marktplätzen Aliexpress und Wish im Prüflabor SQTS in Dietikon untersuchen lassen: Schon damals mit alarmierenden Resultaten. Der SVS hat vom zuständigen Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) immer wieder Massnahmen gefordert, die Kinder in der Schweiz vor solchen Produkten zu schützen. In der EU ist im Juli 2021 die Marktüberwachungsverordnung in Kraft getreten, welche die Anpreisung in der EU nicht-konformer Ware auch im Internet verbietet. Leider hat die Schweiz kein entsprechendes Gesetz nachvollzogen.
Zu zwei Round Table hat der Spielwarenverband Vertreter vom BLV, dem kantonalen Vollzug und dem Handel eingeladen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen – noch konnte der Bund keine Lösung präsentieren. «Wir fühlen uns verpflichtet, die Bevölkerung auf diese höchst Besorgnis erregende Entwicklung aufmerksam zu machen», sagt Sandro Küng von der SVS-Medienstelle.
Die getesteten Produkte
«Wir haben versucht, die Aufgabe eines Kantonslabors zu übernehmen», so der Mediensprecher. Deshalb habe der Verband Bestseller-Spielwaren der beiden Shopping-Apps bestellt, deren tiefen Preise einen Hinweis auf mangelhafte Qualität und Sicherheit lieferten.
Schon beim Auspacken im Labor rümpfte Nathalie Moravetz von der SQTS die Nase: «Die Babymatte roch so stark nach Lösungsmittel, dass wir sie gleich wieder eingepackt hatten. Darauf ein Baby zu legen, kommt hoffentlich niemandem in den Sinn.»
Allerdings konnte das Labor hier keine Weichmacher wie Phthalate und SCCPs nachweisen. Dennoch wäre die Matte laut SQTS in der Schweiz nicht verkehrsfähig. Schon allein weil ein gefälschtes CE-Zeichen aufgebracht wurde. Das Kürzel CE steht für „Conformité Européenne“, also europäische Konformität. Die CE-Kennzeichnung besagt, dass ein Produkt die Anforderungen aller gültigen EU-Richtlinien erfüllt.
Besonders kritisch war ein Stoff-Fuchs von Temu. Aus dem Testbericht: «Das vorliegende Spielzeug (mit weicher Füllung) ist aufgrund seiner Eigenschaften auch für Kinder unter 36 Monaten vorgesehen. Die allgemeinen Sicherheitsanforderungen und die Anforderungen an Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten der EN 71-1 (Spielzeugnorm) werden vom geprüften Testmuster nicht erfüllt. Bei der Zugprüfung wurde eines der Augen durch einen einfachen Zug abgelöst. Dieses Auge bildet aufgrund seiner Grösse ein von Kleinkindern verschluckbares Kleinteil und kann somit eine Erstickungsgefahr darstellen. Bei der Zugprüfung sind bei beiden Testmustern mehrere Nähte aufgerissen (Zugkraft deutlich kleiner als 70 N).» Ferner war die Folie der Verpackung zu dünn.
Viel zu viel toxisches Schwermetall
Die Kette mit Anhänger (Herz mit Einhorn) von Temu sowie Kinder-Fingerringe von Temu enthielten sehr hohe Cadmiumwerte. Cadmium ist ein toxisches Schwermetall, das sehr lange im Körper bleibt. Aufgrund der bereits hohen Hintergrundbelastung, muss die weitere Verteilung von Cadmium vermieden werden. Daher dürfen Metallteile von Schmuck, die längere Zeit mit der Haut in Kontakt kommen, nicht mehr als 0.01% Cadmium enthalten. Der Herz-Anhänger enthielt 17.83% Cadmium und der Smiley-Fingerring 41.46% Cadmium!
Die 3D-Sticker von Temu wiesen Weichmacher auf (Phthalate) mit einem erhöhten DEHP-Gehalt von 1.7%. «Das untersuchte Material entspricht nicht den geprüften Anforderungen der Spielzeugverordnung VSS. Es konnte Di-2-ethylhexylphthalat über dem Grenzwert und Dibutylphthalat im Bereich des Grenzwertes von 0.1 % nachgewiesen werden», heisst es im Prüfbericht.
Beim Kosmetik-Koffer namens Pink-Toy von Temu werden «die geforderten Kennzeichnungsvorschriften gemäss der vorliegenden Verpackung nicht erfüllt. Ohne technische Unterlagen, wie ein Sicherheitsdatenblatt, eine Sicherheitsbewertung oder eine Liste der einzelnen Inhaltsstoffe, kann nicht beurteilt werden, ob das Produkt hinsichtlich der Zusammensetzung den Anforderungen der Kosmetikverordnung und der Spielzeugverordnung entspricht», schreibt SQTS in seinem Bericht.
Das Makeup-Kit Princess Play von Temu ist das sechste Spielzeug von Temu, für das die Vollzugsbehörden einen Rückruf angeordnet hätten. Es enthielt weder ein Mindesthaltbarkeits-Datum, noch Angaben für die Zusammensetzung. Gemäss Prüfbericht werden «die geforderten Kennzeichnungsvorschriften gemäss der vorliegenden Verpackung nicht erfüllt. Ohne technische Unterlagen, wie ein Sicherheitsdatenblatt, eine Sicherheitsbewertung oder eine Liste der einzelnen Inhaltsstoffe, kann nicht beurteilt werden, ob das Produkt hinsichtlich der Zusammensetzung den Anforderungen entspricht.»
Die Silikon-Formen von Shein enthielten hohe flüchtige Anteile und sind demnach nicht verkehrsfähig. Die Maske mit Beleuchtung von Temu sowiedie Game-Konsole von Shein enthielten unzureichend gesicherte Batteriefächer. Hier besteht die Gefahr, dass ein Kind eine Knopf-Batterie verschluckt, was ein enormes gesundheitliches Risiko birgt. Beim Nagel-Set von Shein, der Spiderman-Pistole von Shein sowie den We Babe Bears-Magneten von Temu ist die Kennzeichnung nicht gesetzeskonform. Bei der stark unangenehm riechenden Babymatte aus Kunststoff von Shein konnten zwar keine Weichmacher nachgewiesen werden. «Es geht von dem Artikel ein sehr starker Lösungsmittelgeruch aus und er ist somit nicht für Kleinkinder geeignet», so das Labor SQTS in seiner Bewertung.
Von den 18 bei Temu und Shein bestellten Spielwaren haben nur drei die Tests bestanden und wären in der Schweiz verkehrsfähig: Der Fallschirm mit Figur von Temu, die Gummi-Banane von Shein und die Puzzlematte EVA von Shein.
CE-Zeichen gefälscht
Auch die belgische Konsumentenorganisation Testachats hat im Oktober unter anderem Spielwaren von Temu getestet. Hier wurden sogar das CE-Zeichen (Konformitäts-Kennzeichen der EU) gefälscht. Offenbar gelingt es den bei Temu angeschlossenen Händlern, trotz Marktüberwachungs-Verordnung die EU mit nicht-konformer Billigst-Waren zu fluten.
Der neue Marktplatz aus China weise rund 61 Milliarden Bestellungen pro Jahr und 11 Millionen angeschlossene Händler aus, wie das Fachmedium «Etailment» berichtet. «Das ist die grösste Sorge unserer Branche. Es ist absolut dringend, gegen solche unfairen Marktteilnehmer vorzugehen und unsere Bevölkerung vor der Gefahr solcher Produkte zu warnen», betont SVS-Präsident Hans Christian von der Crone.
Kontakt
Spielwaren Verband Schweiz
Herr Sandro Küng
Geschäfts- und Medienstelle
Sonneggstrasse 86
CH-8006 Zürich
Spielwaren im Schweizer Handel gehören zu den am stärksten regulierten Konsumgütern. Sie müssen sicher sein und zum Beispiel den hohen Anforderungen der Schweizer Spielzeugverordnung entsprechen. Ausgenommen sind Spielwaren, die Konsumenten direkt über den Onlinehandel in China bestellen. Diese so genannten privaten Direktimporte von nicht-konformen Waren werden vom kantonalen Vollzug nicht kontrolliert, denn sie sind in der Schweiz – anders als in der EU – legal.
Bund unternimmt nichts dagegen
2019 hatte der Spielwaren Verband Schweiz (SVS) zehn Spielwaren von den Online-Marktplätzen Aliexpress und Wish im Prüflabor SQTS in Dietikon untersuchen lassen: Schon damals mit alarmierenden Resultaten. Der SVS hat vom zuständigen Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) immer wieder Massnahmen gefordert, die Kinder in der Schweiz vor solchen Produkten zu schützen. In der EU ist im Juli 2021 die Marktüberwachungsverordnung in Kraft getreten, welche die Anpreisung in der EU nicht-konformer Ware auch im Internet verbietet. Leider hat die Schweiz kein entsprechendes Gesetz nachvollzogen.
Zu zwei Round Table hat der Spielwarenverband Vertreter vom BLV, dem kantonalen Vollzug und dem Handel eingeladen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen – noch konnte der Bund keine Lösung präsentieren. «Wir fühlen uns verpflichtet, die Bevölkerung auf diese höchst Besorgnis erregende Entwicklung aufmerksam zu machen», sagt Sandro Küng von der SVS-Medienstelle.
Die getesteten Produkte
«Wir haben versucht, die Aufgabe eines Kantonslabors zu übernehmen», so der Mediensprecher. Deshalb habe der Verband Bestseller-Spielwaren der beiden Shopping-Apps bestellt, deren tiefen Preise einen Hinweis auf mangelhafte Qualität und Sicherheit lieferten.
Schon beim Auspacken im Labor rümpfte Nathalie Moravetz von der SQTS die Nase: «Die Babymatte roch so stark nach Lösungsmittel, dass wir sie gleich wieder eingepackt hatten. Darauf ein Baby zu legen, kommt hoffentlich niemandem in den Sinn.»
Allerdings konnte das Labor hier keine Weichmacher wie Phthalate und SCCPs nachweisen. Dennoch wäre die Matte laut SQTS in der Schweiz nicht verkehrsfähig. Schon allein weil ein gefälschtes CE-Zeichen aufgebracht wurde. Das Kürzel CE steht für „Conformité Européenne“, also europäische Konformität. Die CE-Kennzeichnung besagt, dass ein Produkt die Anforderungen aller gültigen EU-Richtlinien erfüllt.
Besonders kritisch war ein Stoff-Fuchs von Temu. Aus dem Testbericht: «Das vorliegende Spielzeug (mit weicher Füllung) ist aufgrund seiner Eigenschaften auch für Kinder unter 36 Monaten vorgesehen. Die allgemeinen Sicherheitsanforderungen und die Anforderungen an Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten der EN 71-1 (Spielzeugnorm) werden vom geprüften Testmuster nicht erfüllt. Bei der Zugprüfung wurde eines der Augen durch einen einfachen Zug abgelöst. Dieses Auge bildet aufgrund seiner Grösse ein von Kleinkindern verschluckbares Kleinteil und kann somit eine Erstickungsgefahr darstellen. Bei der Zugprüfung sind bei beiden Testmustern mehrere Nähte aufgerissen (Zugkraft deutlich kleiner als 70 N).» Ferner war die Folie der Verpackung zu dünn.
Viel zu viel toxisches Schwermetall
Die Kette mit Anhänger (Herz mit Einhorn) von Temu sowie Kinder-Fingerringe von Temu enthielten sehr hohe Cadmiumwerte. Cadmium ist ein toxisches Schwermetall, das sehr lange im Körper bleibt. Aufgrund der bereits hohen Hintergrundbelastung, muss die weitere Verteilung von Cadmium vermieden werden. Daher dürfen Metallteile von Schmuck, die längere Zeit mit der Haut in Kontakt kommen, nicht mehr als 0.01% Cadmium enthalten. Der Herz-Anhänger enthielt 17.83% Cadmium und der Smiley-Fingerring 41.46% Cadmium!
Die 3D-Sticker von Temu wiesen Weichmacher auf (Phthalate) mit einem erhöhten DEHP-Gehalt von 1.7%. «Das untersuchte Material entspricht nicht den geprüften Anforderungen der Spielzeugverordnung VSS. Es konnte Di-2-ethylhexylphthalat über dem Grenzwert und Dibutylphthalat im Bereich des Grenzwertes von 0.1 % nachgewiesen werden», heisst es im Prüfbericht.
Beim Kosmetik-Koffer namens Pink-Toy von Temu werden «die geforderten Kennzeichnungsvorschriften gemäss der vorliegenden Verpackung nicht erfüllt. Ohne technische Unterlagen, wie ein Sicherheitsdatenblatt, eine Sicherheitsbewertung oder eine Liste der einzelnen Inhaltsstoffe, kann nicht beurteilt werden, ob das Produkt hinsichtlich der Zusammensetzung den Anforderungen der Kosmetikverordnung und der Spielzeugverordnung entspricht», schreibt SQTS in seinem Bericht.
Das Makeup-Kit Princess Play von Temu ist das sechste Spielzeug von Temu, für das die Vollzugsbehörden einen Rückruf angeordnet hätten. Es enthielt weder ein Mindesthaltbarkeits-Datum, noch Angaben für die Zusammensetzung. Gemäss Prüfbericht werden «die geforderten Kennzeichnungsvorschriften gemäss der vorliegenden Verpackung nicht erfüllt. Ohne technische Unterlagen, wie ein Sicherheitsdatenblatt, eine Sicherheitsbewertung oder eine Liste der einzelnen Inhaltsstoffe, kann nicht beurteilt werden, ob das Produkt hinsichtlich der Zusammensetzung den Anforderungen entspricht.»
Die Silikon-Formen von Shein enthielten hohe flüchtige Anteile und sind demnach nicht verkehrsfähig. Die Maske mit Beleuchtung von Temu sowiedie Game-Konsole von Shein enthielten unzureichend gesicherte Batteriefächer. Hier besteht die Gefahr, dass ein Kind eine Knopf-Batterie verschluckt, was ein enormes gesundheitliches Risiko birgt. Beim Nagel-Set von Shein, der Spiderman-Pistole von Shein sowie den We Babe Bears-Magneten von Temu ist die Kennzeichnung nicht gesetzeskonform. Bei der stark unangenehm riechenden Babymatte aus Kunststoff von Shein konnten zwar keine Weichmacher nachgewiesen werden. «Es geht von dem Artikel ein sehr starker Lösungsmittelgeruch aus und er ist somit nicht für Kleinkinder geeignet», so das Labor SQTS in seiner Bewertung.
Von den 18 bei Temu und Shein bestellten Spielwaren haben nur drei die Tests bestanden und wären in der Schweiz verkehrsfähig: Der Fallschirm mit Figur von Temu, die Gummi-Banane von Shein und die Puzzlematte EVA von Shein.
CE-Zeichen gefälscht
Auch die belgische Konsumentenorganisation Testachats hat im Oktober unter anderem Spielwaren von Temu getestet. Hier wurden sogar das CE-Zeichen (Konformitäts-Kennzeichen der EU) gefälscht. Offenbar gelingt es den bei Temu angeschlossenen Händlern, trotz Marktüberwachungs-Verordnung die EU mit nicht-konformer Billigst-Waren zu fluten.
Der neue Marktplatz aus China weise rund 61 Milliarden Bestellungen pro Jahr und 11 Millionen angeschlossene Händler aus, wie das Fachmedium «Etailment» berichtet. «Das ist die grösste Sorge unserer Branche. Es ist absolut dringend, gegen solche unfairen Marktteilnehmer vorzugehen und unsere Bevölkerung vor der Gefahr solcher Produkte zu warnen», betont SVS-Präsident Hans Christian von der Crone.